Ermittlungsverfahren ohne Anwalt?
Ermittlungsverfahren ohne Anwalt?
Ohne anwaltliche Unterstützung ist man bei Befragungen der Polizei ausgeliefert.
Seitdem sich in Österreich hochrangige Politiker gehäuft mit strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert sehen, ist der Begriff des Ermittlungsverfahrens bald jedem Kinde bekannt.
Es dient dazu, einen Sachverhalt so weit zu klären, dass die Staatsanwaltschaft über Anklage oder Einstellung des Verfahrens entscheiden kann. Die Ermittlungen werden von der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft im Einvernehmen geführt.
Kein Anwaltszwang
Während bei einer Anklage in einem Verfahren vor Schöffen oder Geschworenen Verteidigerzwang besteht, ist dies im Ermittlungsverfahren nicht der Fall.
In vielen Bereichen des Rechtslebens besteht kein Anwaltszwang, auch wenn es sich um Verfahren mit weittragender Bedeutung handelt, wie z. B. Ehescheidungen bzw. Folgen aus dieser.
Erste Angaben des Beschuldigten
Das Ermittlungsverfahren ist für den betroffenen Beschuldigten ganz wichtig. Es dauert oft länger als das Hauptverfahren und die Mitwirkung eines Anwaltes ist geboten, insbesondere weil die ersten Erklärungen eines Beschuldigten gegenüber der Polizei die entscheidendsten sein können. Es ist der Verteidiger, der den Beschuldigten entsprechend beraten und die weiteren Maßnahmen beantragen kann.
Gelebte Praxis
In der Praxis ist die Beiziehung eines Rechtsanwaltes indes selten. Das hat auch damit zu tun, dass die erhebenden Polizeibeamten die Anwesenheit eines Verteidigers bei der Einvernahme meistens nur als lästig abtun.
Von meinen Klienten ist mir diesbezüglich eine Vielzahl von Äußerungen ermittelnder Polizisten bekannt, welche im Rahmen der Einvernahme jeden Beschuldigten darauf aufmerksam machen müssen, dass dieser das Recht hat, zur Vernehmung einen Verteidiger (=Rechtsanwalt) beizuziehen. Unter anderem habe ich davon gehört: „Der nützt eh nichts, der kann nur dabeisitzen und vielleicht am Schluss ein paar Fragen stellen.“, „Der kostet nur viel Geld.“, „Das Verfahren dauert dann viel länger.“, „Wenn Sie nicht schuldig sind, werden Sie wohl keinen Anwalt brauchen.“ usw. Wie man nicht nur aus Kriminalfilmen weiß, ist es oft das Ziel der Polizei, einen Verdächtigen zu „überführen“ oder ihm gar ein Geständnis zu entlocken. Da ist natürlich ein Anwalt im Wege, weil er bei der Einvernahme auf die genaue und richtige Protokollierung achtet oder darauf verweist, dass sein Mandant gewisse Fragen gar nicht zu beantworten hat.
Die Aufforderung durch die Polizei, zu einer Vernehmung zu kommen, erfolgt oft ohne Hinweis, dass man sich eines Verteidigers bedienen kann. Die Belehrung erfolgt meistens erst dann, wenn man sich bereits bei der Polizei befindet. Oft traut sich der Beschuldigte dann nicht mehr, seine Verteidigerrechte wahrzunehmen, und ist es ihm vielleicht lieber, dass die Vernehmung nicht abgebrochen wird.
Jedenfalls ist der psychische Druck bei einer Vernehmung – ohne anwaltliche Unterstützung – enorm. Es besteht ja auch immer die Gefahr der Festnahme.
Kurz informiert
Die mit der Intervention durch einen Anwalt bei der polizeilichen Vernehmung verbundenen Kosten sind verglichen mit den Folgen aus einer falschen Beantwortung der Fragen praktisch zu vernachlässigen. Auch kann man die Vollmacht jederzeit widerrufen.









