Klimakleber im Visier
Allgegenwärtig sind mittlerweile die Bilder von an neuralgischen Punkten festgeklebten Aktivisten, die den öffentlichen Individualverkehr zum Erliegen bringen. Während ein Teil der von solchen Aktionen betroffenen Autofahrer das damit verbundene Ungemach gelassen in Kauf nimmt, überlegt sich wohl der ein oder andere im Stau stehende, welche rechtlichen Möglichkeiten unsere Rechtsordnung bietet, um gegen die unbequemen Klimakleber vorzugehen.
Schadenersatz
Primär drängt sich die Frage einer zivilrechtlichen Haftung für (Verspätungs-)Schäden auf. Voraussetzung hierfür ist eine rechtswidrige und schuldhafte Schadenverursachung. Mangels Eigentumsverletzung ist eine Rechtswidrigkeit zu verneinen, da weder eine Sonderbeziehung aus Vertrag noch ein vorvertragliches Schuldverhältnis vorliegt. Reine Vermögensschäden sind in aller Regel ebenfalls zu verneinen, weil keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorliegt, da bei Klimaklebern regelmäßig der Klimaschutz, nicht aber der Schädigungszweck im Vordergrund steht. Eine einschlägige Schutzgesetzverletzung liegt ebenfalls nicht vor, da die Straßenverkehrsdelikte nicht dem Vermögensschutz der Verkehrsteilnehmer dienen. Im Ergebnis haften Klimakleber daher in den meisten Fällen nicht für Verspätungsschäden.
Gerichtliche Strafbarkeit
Gerichtlich strafbar sind Klebeaktionen nur in Ausnahmefällen. Da Klimakleber ihren Protest nur passiv ausüben, wird mangels Anwendung von Gewalt der Tatbestand der Nötigung nicht verwirklicht. Eine Strafbarkeit wegen Schädigungen durch Behinderung von Einsatzfahrzeugen scheidet regelmäßig schon deswegen aus, weil zumeist ein Klimaaktivist nicht festgeklebt wird, um Rettungswege offen zu halten. Rein passiver Widerstand erfüllt auch nicht das Delikt des Widerstands gegen die Staatsgewalt.
Versammlungsfreiheit und Straßenpolizei
Verfassungs- und verwaltungsrechtlich sind Klebeaktionen – wie alle Demonstrationen auf öffentlichen Straßen – rechtmäßig, wenn und solange sie von der Anzeigepflicht ausgenommen sind (etwa weil auf geladene Gäste beschränkt) oder sich im Rahmen ihrer versammlungsrechtlichen Anmeldung und straßenpolizeilichen Anzeige halten. Erst schwere Beeinträchtigungen des Gesundheitsschutzes, der öffentlichen Ruhe und Ordnung oder gravierende Eingriffe in Rechte und Freiheiten anderer rechtfertigen eine Untersagung oder Auflösung von Versammlungen oder gar Eingriffe durch die Polizei. Dies ist üblicherweise nicht der Fall, weshalb Klimakleber höchstens mit verwaltungsstrafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen haben, sodass nur die straßenrechtliche Haftung des jeweiligen Veranstalters verbleibt.
Im Ergebnis bietet der Rechtsstaat kaum Möglichkeiten gegen zivilen Ungehorsam wie jenen der Klimakleber. Der Gesetzgeber ist gefordert, das legitime Interesse an sofortigen Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise mit den nicht minder gewichtigen sozialen und wirtschaftlichen Interessen an einer reibungslosen Nutzung des Verkehrsnetzes in Einklang zu bringen.









